Frauen in digitalen Jobs – Neue Kooperationsreihe mit Kobra e.V.

Von Susanne Diehr

Am 28. Januar 2021 lud Frau und Beruf e.V. zum Küchentischgespräch über den Quereinstieg in digitale Jobs. Anne Quinkenstein erzählte, wie nach Philosophiestudium und Referendariat der Einstieg als Software-Testerin und Testmanagerin gelang.

Seit 1993 berät Frau und Beruf e.V. Berliner Frauen im beruflichen Übergang. Heute kommen meist Akademikerinnen mit geistes- bzw. kulturwissenschaftlichem Abschluss in die Beratung. Berufliche Übergänge sind keine Ausnahme, sondern Teil beruflicher Entwicklung. Und durch die Digitalisierung sowie die Entwicklung von Berlin als Start-Up-City ist ein neuer Arbeitsmarkt entstanden. Doch inwiefern bietet er auch Chancen für Geisteswissenschaftlerinnen?

Mit dieser Ausgangsfrage lud Frau und Beruf e.V. zum Küchentischgespräch, konzipiert und umgesetzt von der Beraterin Gabriele Witzenrath. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung, die ursprünglich bereits für 2020 geplant war, verspätet und online statt. Die Idee: In vertrauter Runde am Küchentisch sind Fragen möglich, die öffentlich vielleicht nicht gestellt werden. Hier ist man per Du, der Raum ist klein – deshalb war auch online die Runde auf 15 Teilnehmende beschränkt, damit sich alle am Gespräch beteiligen können.

Mehr als Social Media

Die Digitalisierung durchzieht alle Arbeitsbereiche. Doch in den Fokus sollte ein „echter“ IT-Job rücken – mit Betonung auf Technik. Die Botschaft: Geisteswissenschaftlerinnen können mehr als Social Media! Nur 17 Prozent der Beschäftigten im IT-Bereich sind Frauen. Bei der Job-Suche sind Geisteswissenschaftlerinnen letztlich immer Quereinsteigerinnen – in dem Sinne, dass sie nicht für einen spezifischen Beruf qualifiziert sind und sich ihren zukünftigen Arbeitsbereich erschließen müssen. Auf diese Weise lockt sie bisweilen auch der IT-Bereich mit Chancen und guter Bezahlung. Doch was müssen Geisteswissenschaftlerinnen mitbringen? Unter welchen Bedingungen gelingt der Einstieg in den IT-Bereich? Beim Küchentischgespräch erfahren Teilnehmende aus erster Hand mehr über ein Arbeitsfeld in der IT und wie der Weg in einen digitalen Job verlaufen ist.

Kernkompetenz Kommunikation

Am 28. Januar erzählte Anne Quinkenstein von ihrer Arbeit als Software-Testerin und Testmanagerin für ein Telekommunikationsunternehmen. Dieses entwickelt für spezifische Herausforderungen wechselnder Kund*innen z.B. in Buchhaltung, Logistik, Kundenservice passende Software-Lösungen. Als Testerin prüft sie diese Entwicklungen: Was sind die Anforderungen, wie soll die Software in Einzelfällen reagieren? Dazu beschreibt die Testerin Testfälle für den System-Test und entwickelt Szenarien aus der geplanten Praxis des Software-Einsatzes. So wird im geschäftsprozessbasierten Testen das System an seine Grenzen gebracht, damit der spätere Einsatz reibungslos verläuft. Die Testerin muss also zum einen die Geschäftsprozesse der Kund*innen verstehen. Zum anderen schaut sie auch der Software-Entwicklung über die Schulter in die Tiefen des Softwarecodes, um über mögliche Anpassungen zu beraten. Kurz: Communication is the key!

Letzteres gilt ebenso für die Testmanagerin, die den gesamten Testprozess organisiert, den Rahmen für das erfolgreiche Testen entwickelt und kontrolliert: Sind die Anforderungen für die Software ausreichend beschrieben? (Wann) haben die Nutzer*innen ausreichend Zeit, um im Testverfahren Rückmeldung zu geben? Wer baut die Testumgebung auf? Während die Testerin zwischen Entwicklung und Geschäftsprozess arbeitet, ist die Testmanagerin die Schnittstelle zwischen dem Management der Entwicklung und dem der Auftraggeber bzw. des Fachbereichs, in dem die Software implementiert wird.

Profil und Umfeld

Eine Testerin muss also ein Verständnis dafür entwickeln, wie Programme reagieren – dabei ist Logik aber nur die eine Seite, ebenso wichtig ist eine spielerische Komponente. Wichtiger aber als Programmierkenntnisse schätzt Anne Quinkenstein die Fähigkeiten ein, Projekte zu managen und sich selbst organisieren zu können. Das könnte andere Geisteswissenschaftlerinnen ermutigen: Wer ein Lehramtsreferendariat oder womöglich sogar eine Promotion geplant und durchgeführt hat, kann erwiesenermaßen sich selbst und Projekte steuern.

Im Lauf des Gesprächs entsteht ein Aufgaben- und Anforderungsprofil: zwischen verschiedenen Welten unterwegs sein, strukturiert vorgehen, Zahlenkolonnen vergleichen, wechselnde Perspektiven von Entwicklung und Nutzung einnehmen und ausgleichend wirken, die Initiative ergreifen, Ergebnisse nachhalten, Fragen stellen. Tatsächlich – so die subjektive Empirie – kommen IT-interessierte Geisteswissenschaftler*innen im Testing genauso gut klar wie Informatiker*innen. Auf Nachfrage einer Zuhörerin zum Umfeld des Testens und des Testmanagements gibt es einen Einblick in angrenzende IT-Jobs: Das IT-Servicemanagement z.B. begleitet die Anforderungen, Scrum-Master sind verantwortlich für die Struktur von agilem Test, Security- und Datenschutzbeauftragte begleiten Prozesse.

Zeit des Wechsels

Nach Sportdiplom, Philosophiestudium und abgeschlossenem Referendariat war für Anne Quinkenstein klar, dass Schule nicht die Zukunft sein soll. Durch eine Berufsberatung entwickelt sie zunächst den Plan, Bibliothekarin zu werden – organisieren, einordnen und Strukturen schaffen erscheinen als attraktive Aufgaben. Schließlich erinnert sie sich im Suchprozess an ihre IT-Affinität, für die es in ihrem Umfeld immer wenig Anknüpfungspunkte gab. Nun aber klappt es mit der Verknüpfung: Ein befreundeter Software-Tester ermutigt sie. Sie führt Recherchegespräche in der Branche, erwirbt eines der Softwaretest-Zertifikate, die diverse größere Firmen als Zertifizierungsstellen vergeben, und bewirbt sich anschließend auch außerhalb Berlins.

Der Geisteswissenschaftlerin mit Berufs- und Lebenserfahrung gelingt das Assessment-Center. Nach einem Jahr Arbeit für diesen Wechsel folgt das weitere Training „on the job“ und „on the road“ – im Einsatz als Beraterin, die vom Arbeitgeber in die Firmen verschiedener Kunden geschickt wird, wo sie jeweils mehrere Wochen oder Monate arbeitet. Nach ein bis zwei Jahren folgt dann der Schritt vom Testen ins Testmanagement und schließlich vom Außen- in den Innendienst in Berlin.

Rück- und Ausblick

Rückblickend bestätigt sich, dass über das Testen der Einstieg in den IT-Bereich gelingen kann. Das Testmanagement als Karriereschritt könnte dagegen in Zukunft weniger erfolgversprechend sein: Tests werden durch agile Teams organisiert, Coaches mit veränderten Aufgaben und niedrigerer Bezahlung ersetzen Testmanager. Besser sei es, sich nach dem Einstieg als Testerin möglichst frühzeitig mehr Kenntnisse in der Entwicklung anzueignen und die Tools, die am weitesten verbreitet sind, zu kennen. So könne der Weg vom Testen zur Entwicklung gelingen, lautet das Resümee des Küchentischgesprächs.

Die Resonanz auf die Einladung war groß. Deshalb entsteht nun eine ganze Veranstaltungsreihe. Dafür hat Frau und Beruf e.V. eine Kooperation mit KOBRA aus dem Berliner Beratungsnetzwerk für Frauen vereinbart. Das nächste Gespräch findet am 11. März statt.

Als Geisteswissenschaftlerin in die IT

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